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Offener Brief an die Walderlebnisgruppe Brixen

Kontrolle ist gut, Vertrauen ist besser!

Kinder kommen mit sehr wenig Ängsten auf die Welt. Die meisten unserer Ängste sind im Laufe des Lebens erlernt worden. Ich muss leider auf meinem eigenen Leib spüren, was aus Kindheit erworbenen Ängsten mit einem machen. Vertrauensbaustellen aus der Vergangenheit wirken sich für immer auf Geist und Körper aus. Deshalb möchte ich meinen Kindern keine Ängste übertragen. Sondern viel Vertrauen mit auf den Weg geben. Vertrauen in sich selbst und dem Leben gegenüber.

Aber wie schafft das eine perfektionistische und nahezu kontrollsüchtige Mutter wie ich? Es fällt mir nämlich sehr schwer zu vertrauen. Schon allein mir selbst zu vertrauen ist eine große Herausforderung. 

Es geht meistens in kleinen Schritten. Wenn ich mit meinem 4-jährigen Sohn unterwegs bin, beiße ich mir dann schon manchmal auf die Zunge und unterdrücke ein “Achtung, pass auf!“. Wenn ich mich gar nicht zurückhalten kann, versuche ich es wenigsten positiv zu formulieren: “Ich möchte, dass Du nach vorne schaust, damit du siehst wohin du rennst.”

Aber jetzt wage ich endlich einen großen Schritt: Ich werde meinen Sohn ab Montag jeden Tag in den Wald schicken. Ohne Mama, die jede Bewegung von ihm angespannt beobachtet und immer wieder eingreift. Sondern mit zwei jungen Pädagogen, die ihm viel Freiraum lassen werden. Ich verlasse mich darauf, dass sie ein waches Auge auf ihm haben und auf Sicherheit und Wohlbefinden achten werden. Ich traue meinem Sohn zu, dass er auch ohne Mama seine Umwelt entdecken und neue Herausforderungen meistern wird.

Ich lasse also meine Ängste ein ganzes Stück los.  

Ich habe mich für eine Waldgruppe anstelle eines normalen Kindergartens entschieden, weil ich überzeugt bin, dass sich mein Sohn im Wald am besten entwickeln kann und die Natur alle Voraussetzungen bietet, um angeborene Fähigkeiten wie Kreativität, Ausdauer, Entdeckerfreude und Achtsamkeit zu stärken. Natürlich gibt es auch Gefahren im Wald. Aber die gibt es auch auf dem Spielplatz oder in geschlossenen Räumen. Mein Kind soll im Wald auf seine eigene spielerische Weise lernen, mit seinen eigenen Grenzen umzugehen und Gefahren und Risiken einzuschätzen. 

Ich wünsche dem Verein Faunus zum Start der Walderlebnisgruppe Brixen ein gutes Gelingen. Ich wünsche den Pädagogen viel Freude und Kraft, diesen neuen Weg zu gehen. Ich wünsche allen Waldkindern viel Zeit, um einfach „nur“ Kind zu sein. Ich wünsche den Eltern, dass sie jeden Tag in glückliche und unbeschwerte Kindergesichter blicken können. Ich wünsche meinem Sohn, dass seine Lebensfreude und sein Selbstbewusstsein noch mehr gestärkt werden. Und ich wünsche vor allem mir selbst viel Mut zu vertrauen.

Deborah Stuflesser
Vorsitzende
und (allem voran) Mutter eines Waldkindes

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